Seit 13 Jahren regiert der Ägypter Hassan Moustafa über den Welthandball. Ein Porträt.
Die berühmteste Zahnlücke des Handballs zeigt sich schon am Tag vor dem 34. Kongress der Internationalen Handball-Föderation (IHF). IHF-Boss Hassan Moustafa, 69, ist mit den Jahren langsamer geworden, noch watscheliger sein Entengang. Etwas grauer ist das Haar geworden. Aber das Gesicht des Ägypters scheint dem Alterungsprozess zu trotzen. Und die kleine Zahnlücke, die er schon vor Kongresseröffnung präsentiert, verleiht ihm etwas Jungenhaftes. Ein Gespräch? Natürlich, sagt der IHF-Präsident. Ein paar Minuten später sitzt er im „President’s Office“, das eigens für ihn im Ritz Carlton-Hotel in Doha eingerichtet worden ist, flankiert von der IHF-Pressefrau. In sportlicher Kleidung, Wildleder-Schuhe, braune Hose, gestreiftes Hemd, beantwortet er höflich und konzentriert alle Fragen. Fast eine Stunde lang.
Es gibt freilich in Doha auch kein Grund zur Nervosität für Moustafa. Dass er zwei Tage später in seinem Amt bestätigt werden wird, steht in diesem Gespräch ja schon fest. Erstmals seit Dezember 2000, als er in Estoril (Portugal) in das ranghöchste Amt des Welthandballs gewählt wurde, wagt es kein Kandidat gegen den 69jährigen. Am 26. Oktober erhält Moustafa vom Kongress 150 Ja-Stimmen, nur vier Delegierte votieren gegen ihn, bei drei Enthaltungen. Eine Zustimmung von über 95 Prozent, das erinnert an Resultate in der DDR oder in Nordkorea. Hassan verneigt sich tief nach der Wahl. „Wir sind eine Familie“, ruft er den Delegierten zu. „Ich verspreche, dass ich noch mehr arbeiten werde. Dass der Handball ein noch erfolgreicherer Sport wird.“
Die Karriere des Ägypters ist nicht nur glanzvoll. Ein sagenhaft schlechtes Image hat sich der Sportpolitiker Moustafa in den 13 Jahren Amtszeit erworben. Korruption, Skandale, Spielmanipulationen und eine nachlässige Anti-Dopingpolitik, das sind Assoziationen, wenn der Name des Ägypters fällt. Die Hamburger Staatsanwaltschaft ermittelt seit drei Jahren gegen ihn, der Vorwurf lautet Bestechlichkeit. Genannt wird Moustafa der „Pharao“. Wegen seines diktatorischen Führungsstils. Was sich hinter der Biographie dieses Funktionärs verbirgt, welchen Weg der Ägypter an die Spitze der Welt des Handballs gegangen ist, ist in Europa wenig bekannt. HANBALL TIME hat sich in Doha auf eine Spurensuche begeben.
Geboren wurde Moustafa am 28. Juli 1944 in Sayeda Zeinab, einem der ältesten Stadteile Kairos, als jüngster von vier Brüdern. Er spielte leidenschaftlich Fußball in den Straßen, in denen er aufwuchs, er war fanatischer Fan von El Ahly, einem der traditionsreichsten Klubs in Kairo. „Als Kind war ich ruhelos“, sagt Moustafa. „Ich musste mich bewegen. Zum Handball kam er in Al Mounira, auf einer weiterführenden Schule. „Als ist Handball das erste Mal sah, realisierte ich, dass das ein Sport war, der Kraft mit Tempo und Attacke verband“, berichtete Moustafa einmal der ägyptischen Zeitung Al Ahram.
Sein Ehrgeiz als Handballer wuchs, als er nach der Schule ein Institut für Körperliche Erziehung in Helwan besuchte. Ein erster Rückschlag war, dass sein Talent den Trainern von El Ahly nicht ausreichte, so trug zunächst das Trikot des Konkurrenzklubs Zamalek. Dort warf ihn der Klubpräsident ein Jahr später wegen Illoyalität raus; Moustafa hatte während eines Fußballspiels El Ahly zugejubelt.
Zu den strebsamsten Schülern zählte Moustafa nicht. Als er auf der Mittelschule den erforderlichen Notenschnitt um 0,3 Prozentpunkte verfehlte, um für das Sportstudium zugelassen zu werden, da schien die angestrebte Karriere im ägyptischen Sport schon beendet, bevor sie erst begonnen hatte. „Ich wurde fast verrückt“, blickt Moustafa auf diese Zäsur zurück. „Das hätte bedeutet, dass ich als Sportlehrer an einer Grundschule hätte arbeiten müssen. Ich wusste, dass das nicht meine Bestimmung war.“ Moustafa hat erzählt, dass ihn erst der Chef der Kammerdiener des ägyptischen Präsidenten Gamal Abdel Nasser rettete. Der habe ihm den Zugang zur Sportschule ermöglicht. Hier lernte Moustafa das erste Mal, wie elementar Seilschaften im Sport sind. Das Studium schloss er 1969 ab, unterbrochen nur durch den Sechs-Tage-Krieg 1967, zu dem sich Moustafa freiwillig meldete.
Diese Zeit war wie ein Nadelöhr für die außergewöhnliche Karriere, die Moustafa danach startete. Als Spieler hatte ihn dann doch El Ahly aufgenommen, Moustafa gelang der Sprung in die Nationalmannschaft, aber schon früh musste er auf dem Feld alle Ambitionen begraben: Eine Knieverletzung. Umso größer sein Ehrgeiz auf anderen Gebieten. Schon während seiner Zeit als Spieler war er als Schiedsrichter unterwegs, und schon früh entschied er sich, Trainer zu werden. Er ging nach Leipzig, zur angesehenen Deutschen Hochschule für Körperkultur (DHfK), um sich dort ausbilden zu lassen und eine neue Sprache zu lernen. „Ich war noch jung“, sagt er. „Ich wollte es richtig machen.“ Mit 27 Jahren, als er zurückkam, war er der jüngste Coach in der Geschichte des ägyptischen Handballs.
Er wurde bald Nationaltrainer und baute bis 1984 ein junges, erfolgshungriges Team auf, parallel dazu promovierte er. Moustafa initiierte den Austausch mit Mannschaften aus Deutschland, er lud in den 70er Jahren die Universitätsauswahl Tübingens nach Ägypten ein, die damals von Helmut Digel trainiert wurde und in der auch ein gewisser Bernhard Bauer spielte. Und in dieser Zeit lernte Moustafa seine Frau Magda Fahmy Ezz kennen, eine Primaballerina, die beste ägyptische Tänzerin des 20. Jahrhunderts. Moustafa sprach sie im Klub El Ahly an, wo er trainierte und sie Tischtennis spielte. Sie mochte wohl die Zahnlücke. 1978 heirateten sie, ein Jahr später wurde die Tochter Haidy geboren. Seine Frau wurde später Chefchoreographin an der Staatsoper in Kairo, bei der WM 1999 inszenierte sie die Eröffnungsfeier. 2011 starb sie.
Magda Ezz mag damals dem Charme des jungen Handballtrainers erlegen sein. Moustafa kann nämlich sehr herzlich und einnehmend auftreten. In seiner Spontanität ist er tatsächlich ziemlich unberechenbar. Als er während der WM 2005 im tunesischen Sousse den Redakteur des Südkuriers, Andreas Schuler, auf der Pressetribüne erblickte, winkte er ihn in den VIP-Bereich. Die Soldaten, die Schuler, als er die Brüstung dorthin übersteigen wollte, daraufhin die MP-Läufe ins Gesicht hielten, vertrieb der Präsident mit einer Geste. Und rauchte mit Schuler in aller Ruhe eine Wasserpfeife.
Ein anderes Beispiel für solch eine Charmeoffensive ereignete sich am Rande des 32. IHF-Kongresses in Kairo 2009. Damals stand Moustafa schwer unter Druck, nach zahlreichen Skandalen, fürchtete gar um seine Wiederwahl. Aber als er als Präsident bestätigt worden war, da ging er, im Rausch der Endorphine, plötzlich auf Medienvertreter zu, die er zuvor noch als Feinde eingestuft hatte. Er umarmte überfallartig den Verfasser und sagte: „Was war, ist Vergangenheit. Wir müssen jetzt nach vorne schauen. Wir müssen gemeinsam den Handball entwickeln.“ Damit überraschte er alle. Ein Zeuge dieser Szene sagt heute, ihn habe dies an ein berühmtes arabisches Sprichwort erinnert: „Ergreife die Hand, die Du nicht abhacken kannst.“
Andererseits kann Moustafa sehr rasch wütend werden, auch wenn er in den letzten Jahren etwas milder geworden zu sein scheint. Widerrede verträgt nicht wirklich, es widerspricht auch seinem archaischen und patriarchalischen Verständnis vom Handball als Familie, die er als Vater führt. Diesem Verständnis entsprechen auch die hohen Ansprüche, die er als IHF-Präsident hat. Sein großes sportpolitisches Vorbild auch in kleineren Details ist Joseph S. Blatter, der Präsident des Weltfußballverbandes FIFA. Den Dienstwagen einer Marke aus Untertürkheim, den Blatter nutzte, ließ auch Moustafa bestellen, den gleichen Typ, das gleiche Interieur, es sollte alles so sein wie bei seinem Freund Sepp. Als sich herausstellte, dass der neue Dienstwagen nicht in die neu gebaute Tiefgarage der Basler IHF-Zentrale passte, mussten Architekt und Baufirma nacharbeiten.
Als das prägendste Ereignis für Moustafas spätere Funktionärskarriere erwiesen sich die Olympischen Spiele 1984 in Los Angeles. Dort atmete er erstmals die Welt der großen Sportpolitik. Er war „auf eigene Kosten“ nach Kalifornien gereist, wie er stets erzählt. Ihn faszinierte das Milieu der Sportfunktionäre, und so intensivierte er seine Bemühungen, selbst irgendwann Teil dieses Zirkels zu sein. „Ich wollte schon immer Funktionär sein“, erzählt Moustafa im President’s Office. Der erste Schritt war, dass er 1984 zum Präsidenten des Ägyptischen Handballverbandes gewählt wurde und dabei massive Widerstände überwand; bis dahin schien in Kairo es unmöglich, dass ein Trainer eine solches Amt übernehmen könne.
Als Präsident feierte er große sportliche Erfolge. 1991, sieben Jahre nach seiner Amtsübernahme, saß Hosni Mubarak unter 35000 Fans in Kairo, als die ägyptische Nationalmannschaft das erste Mal seit 26 Jahren wieder Afrikameister wurde. Aber auch im Weltverband IHF erhöhte er das sportpolitische Prestige Ägyptens: Bei den Olympischen Spielen 1992 in Barcelona wurde Moustafa zum Vorsitzender Methodik-Kommission in der IHF gewählt – als erster Afrikaner überhaupt.
Schon in dieser Funktion fiel Moustafa mit seinem Einfallsreichtum auf: „Er hat sehr viele Ideen, das ist vielleicht seine größte Stärke“, sagt Ekke Hoffmann, der ehemalige IHF-Sportdirektor. „Die Umsetzung eher nicht, das müssen andere machen.“ Aber das wisse Moustafa, weshalb er die Aufgaben delegiere. In der Funktion als Kommissionvorsitzender rückte er in das IHF-Council, die Schaltstelle der Macht im Weltverband. Und er machte in diesen Sitzungen nie ein Geheimnis aus seinen Plänen, irgendwann ganz oben zu sitzen: „Schon damals war klar, dass Hassan Präsident werden wollte“, erzählen diverse Mitstreiter aus dieser Zeit.
Zu seinen ersten großen handballpolitischen Erfolgen auf IHF-Ebene zählte, dass Ägypten (und nicht Tunesien) beim Kongress 1996 in Hilton Head den Zuschlag für die Austragung der WM 1999 erhielt. Dafür verantwortlich war auch die Koalition mit einem anderen Ratsmitglied: Scheich Ahmad Al Fahad Al-Sabah, kuwaitische Präsident der Asiatischen Handball-Föderation (AHF). Die deutschen Funktionäre, deren WM-Bewerbung scheiterte, echauffierten sich danach über Kuverts, die vor der Abstimmung die Besitzer wechselten. Moustafa kümmerte das wenig. Sein Prestige in Ägypten wuchs mit der WM beträchtlich. Auch 2000 flog der Scheich aus Kuwait nach Estoril ein und besorgte die restlichen nötigen Stimmen, so dass Moustafa tatsächlich mit großer Mehrheit zum IHF-Präsidenten gewählt wurde. Er war der erste Afrikaner überhaupt, der einen Sportfachverband anführte.
Die politischen Verbündeten in Ägypten nutzten ihm auch später. „Er ist dort ausgezeichnet vernetzt“, sagt Hoffmann, der früher als IHF-Sportdirektor arbeitete. Einer der wichtigsten Partner Moustafas ist der Besitzer des Al Ahram-Medienkonzerns, ein Großindustrieller. Als Moustafa im Jahr 2009 in Not geriet, weil ihm finanzielle Unregelmäßigkeiten vorgeworfen wurden, stand die sportpolitische Prominenz hinter ihm. Und er bot sogar damals, als der IHF-Kongress in Kairo auf einem Nilkreuzfahrtschiff zu Ende ging, angereisten Journalisten eine Audienz beim Staatspräsidenten an, um seine Reputation zu unterstreichen: „Wenn Ihr wollt, dann besorge ich für morgen Vormittag einen Termin bei Mubarak.“
Diese Verbindungen waren außerordentlich hilfreich, als er im Dezember 2000 zum Sturm auf den Thron des Welthandballs blies. Moustafa organisierte, dass möglichst viele Delegierte aus kleinen Handball-Nationen den Weg zum IHF-Kongress nach Estoril (Portugal) fanden, unterstützt auch durch ägyptische Botschaften. Der damalige Präsident, der Österreicher Erwin Lanc, war daher chancenlos. Insofern markiert der Kongress eine historische Zäsur in der Geschichte des Welthandballs: Seitdem regieren nicht mehr Europa diesen Sport, sondern eine Koalition aus Panamerika, Afrika und Asien. Sie hegt und pflegt Moustafa, weil sie seine Machtbasis darstellt. Moustafa hat als erster Handballfunktionär diese Konstellation erkannt und politisch genutzt, was sein Gespür für die Macht unterstreicht.
Auch verfügt Moustafa, auch wenn er in der Öffentlichkeit zuweilen als Trampel hingestellt wird, über eine außerordentlich feine Antenne dafür, wie weit er im Umgang mit Menschen gehen kann. Manchmal überschreitet Moustafa dabei Grenzen. Das beschreibt eine Anekdote aus der IHF-Zentrale in Basel, die der frühere IHF-Geschäftsführer Frank Birkefeld im riesigen Foyer des Hotels in Doha erzählte. Birkefeld stand am Rande einer Exekutivsitzung mit dem russischen Funktionär Alexander Kozhukow und dem Schweizer Generalsekretär Peter Mühlematter in der Kälte und rauchte. Als Moustafa zu ihnen stieß, versteckte Mühlematter seine Zigarette in der hohlen Hand, in der Tasche seines Mantels. Denn er hatte Moustafa davor erzählt, er habe das Rauchen endlich aufgegeben. „Es dampfte aus der Manteltasche wie bei der Papstwahl“, erzählte Birkefeld feixend. Moustafa sah das, zog langsam die Hand Mühlematters aus der Tasche, nahm ihm wortlos die Zigarette weg – und drückte diese auf einer Motorhaube aus. Auf der Motorhaube des Wagens von Mühlematter. Moustafa sitzt am Tisch, als Birkefeld diese Anekdote erzählt. Ein bisschen ist sie ihm unangenehm. Aber das Lachen darüber kann er nicht zurückhalten.
Auch als IHF-Präsident überschreitet er manchmal Grenzen, jedenfalls aus mitteleuropäischer Perspektive betrachtet. So hat er, wenn die TV-Rechte des Weltverbandes an den Mann bringen wollte, schon viele Verhandlungspartner an den Rand des Wahnsinns diskutiert. Wer am anderen Ende des Tisches sitzt, ist Moustafa eher gleichgültig bei seinem erklärten Ziel, möglichst viel herauszuschlagen. Das Feilschen um Sportrechte ist nicht nur seiner arabischen Mentalität geschuldet. Er hat es im Sport von der Pike auf gelernt, als er in den 1970er Jahren als Sportartikelvertreter für Puma für den arabischen Raum zuständig war. „Ob Basketball oder Handball – alle in Nordafrika spielten damals in Puma“, erzählt Moustafa stolz von seinen ersten Erfolgen im Sport. „Er war schon damals ziemlich geschäftstüchtig“, erinnert sich Hoffmann, der Moustafa am Ende der 1970er Jahre auf der Sportmesse ISPO in München kennenlernte.
Fakt ist, dass Moustafa mit seinem Verhandlungsgeschick den Weltverband zu einem der reichsten Sportverbände der Welt entwickelt hat. „Es gab, bevor ich Präsident wurde, keinen Tender”, erklärt er. „Ich habe das gestoppt.“ Das Ergebnis: Während die IHF zwischen 1998 und 2001 rund zwölf Millionen Schweizer Franken aus Marketing und TV-Rechten erlöste, zahlte der Rechtehändler Ufasports zwischen 2010 und 2013 allein für die TV-Rechte rund 60 Millionen Franken. „Und ich bin sicher, dass es noch besser wird“, prophezeit Moustafa in Doha für den Turnus 2014-2017 gar noch höhere Erlöse aus den TV-Rechten. Und auch sonst rollt der Ball. Mit Adidas hat die IHF erneut verlängert. Molten wird als Ballhersteller ab 2014 mehr zahlen als der bisherige Partner Select. „Man kann sagen über Hassan, was man will, aber im finanziellen Bereich ist er wirklich zu Hause“, hat einmal Reiner Witte, Präsident der deutschen Handball-Bundesliga, über den Ägypter gesagt.
In Probleme stürzt Moustafa allerdings, dass er in geschäftlicher Hinsicht eher arabische Bräuche zugrunde legt als mitteleuropäische. Dass er persönlich 2007 vom Rechtehändler Sportfive 602 000 Euro aus einem Beratervertrag kassierte, daran entdeckt er nichts Anstößiges. Laut Vertrag sollte Moustafa für Sportfive Geschäftsbeziehungen in Nordafrika in arabischen Ländern einfädeln, speziell die Vermittlung von TV-Verträgen. Dieser Deal wurde allerdings unterschrieben, kurz nachdem Moustafa für die TV-Rechte der IHF für die Jahre 2006-2009 an Sportfive verkauft hatte, für 32 Millionen Schweizer Franken. Ganz offenbar sehen die Ermittler darin nicht keinen echten Vertrag, sondern eine verdeckte Bestechung. „Ich habe nichts Falsches gemacht“, war Moustafa schon 2011 überzeugt, als die Staatsanwaltschaft eine Hausdurchsuchung veranlasst hatte. Er kann die ganze Aufregung ohnehin nicht verstehen. „Ich habe damals alles dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) gegeben und die Ethik-Kommission des IOC hat dem zugestimmt“, hat er vor zwei Jahre erklärt. Dass den deutschen Staatsanwälten herzlich egal ist, wie das IOC zu dieser Angelegenheit steht, dafür fehlt ihm jedes Verständnis.
Innerhalb der IHF regiert Moustafa seit 2009 ohne jede Opposition. Sein Wort geschieht. Er konnte mühelos durchsetzen, dass seine jährliche Aufwandsentschädigung von 30.000 auf 500.000 Franken erhöht wurde, was ihn faktisch zu einem hauptberuflichen Präsidenten macht. Die Staatsanwälte aus Hamburg sind, wenn man so will, die letzten Gegner Moustafas. Sollte es zu einer Anklage wegen Bestechlichkeit kommen, was derzeit wahrscheinlich ist, könnte es sanften Druck aus der IOC-Zentrale in Lausanne. „Thomas Bach ist mein Freund“, sagt Moustafa zwar. Aber ob das hilft, bleibt abzuwarten.
Der eigentliche Feind Moustafas ist das Alter. Sein Mittel dagegen: totale Askese. Er raucht keinen Tabak, trinkt kein Alkohol. Und jeden Morgen marschiert Moustafa in den Fitnessraum, mit eiserner Disziplin. 90 Minuten lang sitzt er dann auf dem Fahrrad. „Das mache ich immer, das bin ich gewohnt“, sagt er. Auch in Doha. Als der holländische Präsident Tjark de Lange in der Lobby des Hotels vorbeischlendert, begrüßt Moustafa ihn enthusiastisch und sagt dann: „Mein Partner im Gym.“ Moustafa hatte freilich große Probleme mit seiner Hüfte, weshalb einige Mitstreiter prophezeihen, der Präsident werde 2017 zurücktreten. Denkt er historisch? Will er genauso lange amtieren wie IHF-Rekordpräsident Hans Baumann (1950-1971)? Moustafa lächelt verlegen auf solche Fragen.
Er wäre 77 Jahre alt für den Fall, dass er noch eine fünfte Wahlperiode absolvieren würde. Genauso alt wie heute sein Vorbild Blatter. Der Einsatz für eine Wette, dass die berühmteste Zahnlücke sich spätestens dann zurückzieht aus dem Welthandball, scheint sehr riskant.
Erschienen im Dezember 2013 in HANDBALL Time (#3).