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Die Bob-EM

Bob Hanning hat die Handball-Berichterstatung fest im Griff.

 

War Federico Fellini jemals Handballfan? Wohl kaum. Doch hätte der famose italienische Filmregisseur seine helle Freude gehabt an diesem Bob Hanning, der in diesen Tagen sein Spiel treibt mit den deutschen Sportmedien, die aus dem slowenischen Ljubljana berichten. Weil dieser Mann, der als Experte für das Deutsche Sportfernsehen (DSF) die 6. Europameisterschaft kommentiert, Fellinis Figur Zampano aus dem Film La Strada geradezu perfekt verkörpert. Wie jene mittlerweile sprichwörtliche Figur ist Hanning nämlich aufgebrochen, um sein Glück im (Handball-)Zirkus zu versuchen.

Nun ja, vielleicht ist der internationale Handball nicht die ganz große Welt, nicht zu vergleichen jedenfalls mit den Schwungrädern des großen Bruders Fußball. Immerhin trifft sich momentan die Creme de la Creme dieser Sportart in Ljubljana. Vor und nach den EM-Spielen verhandeln Manager und Trainer anstehende Transfers, und Verbandsfunktionäre verkungeln die nächsten großen Austragungsorte. Hanning aber, der im Alltag als Trainer des HSV Hamburg fungiert, hat sich vor diesem Turnier vor allem ein Ziel gesetzt: Aus dieser Handball-EM eine Bob-EM zu kreieren. Er ist der Mann für die Superlative beim DSF, das überraschend gute Quoten erzielt. Dreimal schauten schon mehr als zwei Millionen (Spitzenwerte) zu; heute, im Halbfinale gegen Dänemark (15 Uhr, live im DSF), dürfte die Zuschauerbeteiligung noch steigen.

„Die beste Leistung einer deutschen Nationalmannschaft, die ich je gesehen habe“, urteilte Hanning nach dem Sieg gegen die Slowenen, was Bundestrainer Brand ein wenig irritiert zur Kenntnis nahm. „Das beste Kollektiv der Welt“, rühmte Hanning, der in den letzten Tagen mit einem Nationaltrikot unter die Kopfhörer schlüpft, das Team nach dem letzten Sieg gegen Ungarn. Dabei hatte er vor dem Turnier, wie er Kollegen anvertraute, noch ziemlich schwarz gesehen.

Doch er stellt seine Ansichten auch diversen anderen deutschen Medien zur Verfügung und ist daher der größte aller Multiplikatoren in Slowenien. „Bob lässt ja nichts aus“, sagt DSF-Kommentator Markus Götz beeindruckt, „das ist der Wahnsinn, wie sich die Leute um ihn scharen.“ Mit seinen griffigen Zitaten ist er geradezu omnipräsent in den deutschen Zeitungen, nicht nur in der lokalen Medienszene in Hamburg, die er im Griff hat wie kein Zweiter. Für das Hamburger Abendblatt lässt er täglich eine Kolumne schreiben, in der Morgenpost erwartet den Handballfreund eine Vorschau. Und wenn es wirklich mal etwas Exklusives zu vermelden gibt, dann freut sich der Bild -Zeitungsleser. Zudem liefert Hanning für den Internetanbieter Sport1 Hintergründe. „Der Bob“, sagt Götz, „ist ausgesprochen medienkompatibel.“

Das führt manchmal zu selbst im Sportjournalismus unüblichen Vorgängen. Wenn Hanning einer Zeitung eine Story anbietet, verrät einer grinsend, „ist er sich nicht zu schade, Titelzeilen zu formulieren“. Das nerve natürlich, sagen einige Betroffene, aber es sei ja ein ständiges Geben und Nehmen. Unklar bleibt, wer mehr von wem profitiert.

Womöglich ist Hanning die Gewissheit, die Handballnachrichten zu kontrollieren, jedoch ein bisschen zu Kopfe gestiegen. Jedenfalls tragen seine Versuche, auch die Sportredakteure der überregionalen Medien zu manipulieren, zuweilen recht abenteuerliche Züge. Mit einer Journalisten-Akkreditierung ausgestattet, riecht er bei jedem formulierten Text schlechte PR für seine Arbeit als Trainer. Als der HSV-Rückraumspieler Pascal Hens, genannt „Pommes“, mit Formproblemen in das EM-Turnier startete und einige Journalisten das sogar zu beschreiben wagten, fand er das geradezu impertinent: „Hast Du etwa Schlechtes über Pommes geschrieben?“ Dass Sportjournalisten auch zu kritischen Zeilen in der Lage sind, dafür entwickelt er jedenfalls nur eingeschränkt Verständnis.

Hanning sagt: „Es ist interessant, mal auf der anderen Seite zu stehen.“ Er stellt sich dann dar als jemand, für den die Medien ein Buch mit sieben Siegeln sind. Dabei gibt es im deutschen Handball keinen, der sich wirkungsvoller in den Medien zu inszenieren vermag. Er hat sich sogar schon als Napoleon und Cäsar ablichten lassen. Dahinter steckt ein formidabel unreflektiertes Selbstbewusstsein, nicht wenige in der Szene sagen: Der überzieht. Schließlich hat Hanning als Trainer noch keinen großen Titel gewonnen und dort, wo er vorzeitig ging, zum Teil verbrannte Erde hinterlassen. Auch bei dieser Handball-EM gibt es Anzeichen, dass es nach ganz oben noch ein weiter Weg ist. Zwar umschmeichelte er den RTL-Reporter, doch der macht keine Anstalten, ihn zu Interviews zu bitten. Hanning sei bundesweit kein Thema. „Hanning kennen doch nur Freaks“, meint der RTL-Mann. Wenn Hanning so weiter macht wie in Slowenien, dann nicht mehr lange.

Erschienen am 31. Januar 2004 in der Frankfurter Rundschau.

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